Frenz
Römer, Sunucer, Franken - von all diesen Völkerschaften fanden sich in und um Frenz steinerne Spuren ihrer Anwesenheit.
Urkundlich erwähnt wird Frenz erstmals 1104, als Hartper von Fraegenzo mit dem Kölner Erzbischof zu tun bekommt. Die Rolle, die die Burgherren von Frenz, zugleich auch Herren von Stolberg, bis ins 14. Jahrhundert in der rheinischen Geschichte gespielt haben, gehört zu den interessantesten Abschnitten in der Vergangenheit der Stadt Köln und des Rheinlandes überhaupt. Seit dem 14. Jahrhundert war das Dorf im Besitz der Herren von Merode und ihrer Seitenlinien. Es war kein relativ unbedeutender Landadelssitz wie etwa Lützeler, Merödgen, Pesch und Verken, sondern eine Unterherrschaft des Herzogtums Jülich, also ein eigenständiges Territorium. Die Herrschaft bestand aus der Burg, dem umzäunten, teils ummauerten Dorf Frenz, dem Patronatsrecht der Kapelle, der Zwangsmühle, dem Fronhof dem Brauhaus, einigen großen Manngütern und einem Landbesitz von über 400 Morgen. Hinzu kamen noch Fischereirechte in der Inde, Waldnutzungsrechte in der Wehrmeisterei sowie die Hoch- und Niedergerichtsbarkeit.
Die Burg stand etwa und auf dem Gelände zwischen dem heutigen Pfarrhaus und der alten Schule. Bis 1905 stand die alte Kapelle auf dem Vorplatz der 1904 erbauten heutigen Kirche.
Der Geistliche der Kapelle übte die Seelsorge nur über die Familien der Burg und der genannten Häuser aus; und nur diese hatten ihre Begräbnisstätte in und neben der Kapelle. Alle anderen Einwohner von Frenz wurden in Lamersdorf beerdigt, zu dessen Pfarrbezirk der Ort bis 1863 gehörte.
Die Burg selbst war eine ummauerte feste Hofanlage, die vielleicht schon im 14. Jahrhundert zerstört wurde. Nachfolgerin dieser Burg wurde die "Frenzer Burg" eine Wasserschloßanlage des 16./17. Jahrhunderts, südöstlich des Dorfes. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde die imposante Anlage in den 1950er Jahren geschleift. Die Rheinischen Braunkohlewerke AG siedelten hier drei Landwirte aus Lohn an, als ihr Heimatort abgebaggert wurde.
Die Frenzer Landwirte teilen das gleiche Schicksal wie ihre Lamersdorfer Kollegen: Ein Großteil ihrer Ländereien fiel der Errichtung des Kraftwerkes Weisweiler und dem Braunkohlentagebau zum Opfer.
Charakteristisch für das ländlich geprägte Frenz war noch Mitte des vergangenen Jahrhunderts die große Anzahl jüdischer Einwohner, die einmal 10% der Bevölkerung ausmachten. Sie hatten im Schutze der Herren von Frenz eine eigene Gemeinde aufbauen können mit Bethaus und Friedhof. Heute erinnert nur noch eine kleine Gedenkstätte an der Stelle des vernichteten Friedhofes an die Frenzer Juden.
Das Kraftwerk Weisweiler ist klar und deutlich zu erkennen. Die K 34 schlängelt sich vorbei an Feldern, der Blick erheischt auch ein Stück Autobahn. Auf einmal ist man in Frenz. Irgendwie. Ortsunkundige, die sich von Langerwehe aus der A 4 nähern wollen und den rechten Weg nicht kennen, müssen sich so fühlen. Dass schon die Römer dieses Fleckchen Erde liebgewonnen hatten, kann man dem Ort auf den ersten Blick nicht ansehen. Die Frenzer freilich wissen ihren Ort bestens zu schätzen.
Die Einwohner des Dorfes in sehr behüteter Lage wußten mit der vermeintlichen Abgeschiedenheit allerhand anzufangen. In Frenz hat man durchaus seine Ruhe, kann sich voll und ganz auf sich selbst und die Nachbarn konzentrieren. Gestört wird man heutzutage lediglich von unsäglichen Autofahrern, die über den "Schleichweg Frenz" das Nadelöhr Weisweiler umfahren.
Es versteht sich von selbst, daß ein solches Gemeingefüge wie Frenz ganz stark auf den inneren Zusammenhalt setzt. Die Einwohner präsentieren sich bei allem Individualismus als bodenständig, traditionsbewußt, bescheiden und sensibel. Für Zugereiste oder Neuankömmlinge wiederum ist es mühsam, den Zugang zu dieser Gemeinschaft zu finden. Hat man aber in Frenz Freunde gewonnen, dann fürs Leben. Die Herren der Frenzer Burg mit ihrem üppigen Grundbesitz, der landwirtschaftlich genutzt wurde, prägten das Dorf. Damals war der Ort stark von einem Feudalsystem bestimmt, das natürlich heute keine Rolle mehr spielt. Die Platten mit dem Wappen der Burg sind übrigens heute noch in der Alten Schule zu sehen.
Frenz teilt sich in drei Bereiche: das Oberdorf das Unterdorf und den Driesch. Während "oben" und "unten" im Laufe der Jahre zu einer Einheit verschmolzen, waren die Bewohner des Driesches schon auf ihre Eigenständigkeit bedacht und fühlten sich eher als Ortsteil von Frenz.
Die Nähe zu Eschweiler und Langerwehe hatte Auswirkungen auf das Bild des Ortes. Während vor noch 25 Jahren einige Geschäfte, Metzger und Bäcker die Bürger versorgten, ist diese Nahversorgung verschwunden. Das gilt auch für den Bahnhof, der den Anschluß in Richtung Eschweiler, Stolberg und Aachen sicherstellte. Ein Merkmal hat Frenz nicht verloren: Sowohl im alten Verwaltungsbereich Lucherberg (Altkreis Düren) als auch jetzt in der Gemeinde Inden liegt das Dorf am Rand. Das hat zwar auch einige Vorzüge, auf der anderen Seite fühlten sich die Frenzer auch stets ein wenig vernachlässigt. Weil man sich aber durchaus deutlich artikulieren kann, blieben Mißstände selten gänzlich unentdeckt.
Eine Zahl hat in Frenz über Jahrhunderte Beständigkeit: die Anzahl der Einwohner. Alte Dokumente belegen, dass schon 1550 um die 700 Menschen den Ort bevölkerten. Heute sind es nur unwesentlich mehr.
Die katholische Pfarrkirche und die zahlreichen Vereine waren und sind für die Frenzer liebgewonnene Anlaufstationen. Kreativität und Traditionspflege - das paßte stets zusammen. Diese Eigenschaften dominierten die Vereinigungen des Dorfes, von denen heute elf sehr rege sind - das Deutsche Rote Kreuz nicht mitgezählt. Die Inde ist in der ganzen Gemeinde allgegenwärtig, nimmt in Frenz aber eine Besonderheit ein. Sie trennt die Siedlung Frenzer Driesch vom Ort optisch ab. Dass es sich um keine wirkliche Grenze handelte, bewiesen die Stunden der Not: Als die Inde noch nicht reguliert war und die Sturmglocken einen reißenden Fluß bezeugten, packten alle Frenzer mit an, um den Driesch vor der Überflutung zu schützen. Das wurde auch bei Festlichkeiten offenkundig: Wenn die "Driescher" fehlten, "war das auch nichts", erzählen alte Frenzer. Durch das nahe Umsiedlungsgebiet Inden/Altdorf ist die Abgeschiedenheit des Dorfes Vergangenheit. Bei aller Sensibilität und anfänglichen Vorsicht darf man aber wohl davon ausgehen, daß die Frenzer mit dieser neuen Rolle fertig werden und sie zu nutzen wissen.
Inden/Altdorf
Die junge Gemeinde Inden bekommt innerhalb von nur 22 Jahren jetzt zum zweiten Mal ein neues Gesicht.
Diesmal ist das für die Bürger der Orte Altdorf, Inden und Pier mit dem Verlust der Heimat verbunden.
Seit am 2. Mai 1991 mit dem symbolischen 1. Spatenstich die Erschließung des Umsiedlungs- standortes Inden/Altdorf begann, ist fast die Hälfte der Gemeinde in Bewegung. Und Bewegung ist ein Indiz für Fortschritt.
Rund 70 Prozent der Bevölkerung aus Inden und Altdorf haben sich für den Verbleib in ihrer Heimatgemeinde entschieden. Das zeugt unzweifelhaft davon, daß die Verantwortlichen in Rat und Verwaltung mit dem Angebot am Umsiedlungsstandort richtig lagen. Es ist gleichwohl ein Plädoyer für die "gemeinsame Umsiedlung". Diese soll die gewachsenen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verflechtungen der betroffenen Orts- und damit Lebensgemeinschaften möglichst erhalten. Diese Möglichkeit, eine Umsiedlung durchzustehen, hat sich bewährt, auch wenn sie nie in der theoretisch idealen Vollkommenheit durchgeführt werden kann. Die Umsiedlung der Ort- schaften Altdorf und Inden beweist aber, daß eine gemeinsame Umsiedlung nahezu erreicht werden kann.
Wenn auch markante und charakteristische Flächen. Nischen und Ecken in Inden/Altdorf erst vage erkennbar sind, so ist dennoch schon zu erahnen, was da kommt. Mit dem neuen Rathaus und der kleinen Holzbrücke wurde ein Anfang gemacht.
Gewachsene Traditionen und Strukturen sind ein Bestandteil unserer Kultur und werden nicht ohne weiteres zerstört. Sie leben auch und vor allem in den Köpfen. Alles spricht dafür, daß sich die betroffenen Menschen und Familien mit ihrem Schicksal auseinandergesetzt haben und das Beste daraus machen. Das zeugt von Stärke.
Und diese Stärke ist es, die in der Umsiedlung die Chance zur Fortentwicklung für die Gemeinde Inden bietet.
Wohin entwickelt sich die Gemeinde "Wie geht es weiter"
Es ist abzusehen, daß der Gemeinde zeitweilig eine "Zweiteilung" nicht erspart bleibt.
Dörfer räumlich eng zueinander:
Lucherberg, Inden/Altdorf, Frenz und Lamersdorf. Dies bedeutet überschaubare Strukturen, kurze Wege zu allen Versorgungs- und Dienstleitungseinrichtungen und menschliche Nähe. Die Chance für ein harmonisches Miteinander " klein, aber leistungsfähig.
Auf der anderen Seite Pier und Schophoven. Die nach der Jahrtausendwende bevorstehende Umsiedlung von Pier wirft Fragen auf, denen wir uns stellen müssen, die aber allesamt beantwortet werden können. Für alle Einwohner von Pier, die in ihrer Heimatgemeinde bleiben wollen, wird ausreichend Siedlungsraum zur Verfügung stehen. Die bereits im neuen Ort lebenden Umsiedler aus Altdorf und Inden werden den neuen Nachbarn aus Pier das Einleben in die Gemeinschaft nicht schwermachen. Haben sie doch alle das gleiche Schicksal durchgemacht. Auch diese Umsiedlung kann mit gutem Willen so schonend und einfühlsam wie nur möglich gemeinsam durchgestanden werden.
Für Schophoven besteht sicherlich die Gefahr, bei Fortschreiten des Tagebaues räumlich von dem neu entstandenen Zentrum abgetrennt zu werden. Es werden alle Kräfte aufgeboten, die Infrastruktur des Ortes auszubauen und die Verkehrsverbindungen so zu gestalten, daß der Zusammenhalt erhalten bleibt. Hier sind alle gefordert. Die vielfältigen Verbindungen zur Bevölkerung von Schophoven werden während der Zeit des Bergbaugeschehens bestehen bleiben. Schophoven ist und bleibt ein lebens- und liebenswerter Teil unserer Gemeinde.
Der ortsansässige Handel und die Gewerbebetriebe sichern auch in Zukunft durch ihre Leistungsfähigkeit die Versorgung der Bevölkerung und Arbeitsplätze. Die Verantwortlichen lassen nichts unversucht, Handel und Gewerbe zu unterstützen.
Gewerbebetriebe und Bürger profitieren von der verkehrsgünstigen Lage der Gemeinde. Über die nahe Autobahn sind die Städte Aachen, Köln, Bonn und Düsseldorf in kurzer Zeit erreichbar; die Nachbarstädte Düren, Jülich und Eschweiler liegen fast in Sichtweite.
Wir sind stolz auf die Vielfalt unserer Traditionen mit ihren alten Wurzeln und all ihren Eigenheiten. Deren Erhalt zu sichern ist ein wichtiges Anliegen in der nun anstehenden Umgestaltung. Den Vereinen als tragenden Elementen des gesellschaftlichen dörflichen Lebens kommen bei diesem Prozeß wichtige Gestaltungsfunktionen zu. Sicherlich stehen die Vereine heute allesamt vor großen Problemen in Bezug auf Nachwuchs und finanzielle Ausstattung. Doch bietet gerade die gesellschaftliche Umschichtung, die jetzt im Gange ist, eine Chance zum Strukturwandel und damit zum dauerhaften Überleben.
Naturgebiete wie der Lucherberger See, die Goltsteinkippe, der Pierer Wald, die Inde- und Rurniederungen, aber auch die nahe Eifel bieten Erholung direkt vor der Haustür. Natur- und Umweltschutz haben in der Gemeinde Inden eine große Bedeutung. Gerade wegen des Tagebaues und der Nähe des Kraftwerkes, aber auch der dichten Bebauung wegen ist es wichtig, ja lebensnotwendig, selbst die kleinste Fläche natürlich zu gestalten bzw. zu erhalten.
Kindergärten, Grundschulen, Hauptschule, Sportanlagen und Jugendheime sind in ausreichender Zahl vorhanden. Für die nachkommende Generation stehen - wenn auch in bescheidenem Umfange - Wohnbauflächen zur Verfügung. Unsere Kinder und Jugendlichen haben Perspektiven in Inden und können mit guten Aussichten in das nächste Jahrtausend gehen.
Die Gemeinde Inden wird ihren Bürgern Lebensqualität und Attraktivität bieten und den älteren Mitbürgern einen Lebensabend in Ruhe versichern. Unsere Zukunft aber, das sind unsere Kinder. Für sie wollen wir eine erlebenswerte Umwelt und Gemeinschaft erhalten.
Lamersdorf
Lamersdorf geht auf einen römisch-fränkischen Siedlungsplatz zurück.
Trotzdem kann der im Jahre 867 im Besitz König Lothars des II. genannte Ort "Lotmari villa" wohl nicht mit Lamersdorf identifiziert werden. Im 13. Jahrhundert ist Lamersdorf damals noch Lamberstorp geschrieben, als Sitz einer Pfarrei bezeichnet. Zum Pfarrbezirk gehörten auch Frenz, Haus Lützeler und die Höfe Merberich und Stütgerhof bei Langerwehe. Die St.-Cornelius-Kirche ist eine der ältesten und schönsten erhaltenen Kirchen des Kreises Düren. Ihre jetzige Form stammt aus dem 15. Jahrhundert, der Turm ist noch älter.
Mindestens ab der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zur Auflösung im Jahre 1794 hatte Lamersdorf ein eigenes Gericht. Danach wurde es selbständige Bürgermeisterei.
Fast in der Mitte des Dorfes lag die Getreidemühle, die Anfang des 19. Jahrhunderts in eine Papiermühle umgebaut wurde. Der damalige Besitzer, Friedrich Wilhelm von Auw, ließ hier Anfang der l840erJahre die erste Papiermaschine des Rheinlandes aufbauen, die "Papier ohne Ende" also Rollenpapier, herstellen konnte " eine revolutionäre Entwicklung für die Papierindustrie des Dürener Raumes. Etwa zur gleichen Zeit sahen wegen der herrschenden Not- und Hungerjahre einige junge Lamersdorfer keinen anderen Ausweg als die Auswanderung. Jahrhunderte hindurch hatte die Lamersdorfer Bevölkerung hauptsächlich von Ackerbau, Vieh- zucht und Handwerk gelebt. Erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts fanden die Menschen allmählich Arbeit in umliegenden Fabriken. Das fast vollständige Ende der Landwirtschaft begann nach dem Zweiten Weltkrieg.
Durch den Betrieb des Braunkohletagebaues Inden gingen im Laufe der Jahre der größte Teil der Lamersdorfer Ländereien verloren. Inzwischen ist es der einzige Ort der Gemeinde Inden, in dem es keine einzige Milchkuh mehr gibt. Südlich des Dorfes, direkt am Wehebach, liegt Haus Lützeler. Das mit einem Treppengiebel verzierte Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert wurde im Zweiten Weltkrieg vollkommen zerstört und nicht wieder aufgebaut. Lützeler hat 1000 Jahre belegbarer Geschichte, sah viele Geschlechter und veränderte sich durch Teilung, Heirat, Erbschaft und Verkauf. Haus Lützeler wurde zur Wohnanlage umgebaut. Hier befinden sich die einzigen noch zusammenhängenden Ländereien in der Gemeinde Inden, die nicht abgebaggert werden. Die früheren Ackerparzellen rund um Haus Lützeler sind der neue Heimatboden für die Umsiedler aus Altdorf, Inden und Pier.
Ebenfalls dicht bei Lamersdorf am östlichen Indeufer gelegen, stehen die Reste von Haus Merödgen. Hier wurde, genau wie in Lützeler, das Herrenhaus im Zweiten Weltkrieg zerstört und nicht wieder errichtet. Merödgen, seit dem 14. Jahrhundert bekannt, ist jetzt in Privatbesitz und wurde zwischenzeitlich zur Wohnanlage umgebaut.
Dje Zahl 1000 ist die beinahe magische Grenze in Lamersdorf. Es dauert wohl nicht mehr allzu lange, bis diese Einwohnerzahl überschritten und die Ortschaft, die ebenso wie Lucherberg und Frenz den Umsiedlungsstandpunkt Inden/Altdorf säumt, in den "1000er-Club" der Gemeinde aufgenommen wird. Schon auf den ersten Blick stellt der Besucher fest: Lamersdorf ist ein modernes und in vollem Wachstum befindliches Dorf, das sich als Ensemble aus dem alten Ortskern, Siedlungen und Neubaugebieten darstellt.
Dieser stetige Fortschritt findet seine Ursachen in der Geschichte. Die nahe Inde mit ihrer so typischen Aue-Landschaft war einst Lebensquell und Grundlage der Landwirtschaft. Der üppige Wasservorrat lockte produzierendes Gewerbe. So wurde Lamersdorf auch durch die Industri- alisierung früh erschlossen. Davon zeugt die alte Papierfabrik. Im nahen Weisweiler und natürlich ebenso gleich nebenan in Lucherberg ging diese Entwicklung noch etwas intensiver vonstatten, so daß die Einwohner von Lamersdorf über ein hohes Gut stets verfügten: Arbeitsplätze.
Diese Struktur prägt den Ort, der auch die klassische Landwirtschaft nach wie vor beherbergt. Das im Laufe der Jahrzehnte befruchtende Miteinander machte aus Lamersdorf einen bevorzugten Wohnort. Der heute so oft strapazierte Begriff "Strukturwandel" erfaßte das weit über 900 Einwohner zählende Dorf der Gemeinde Inden also schon sehr früh.
Das Miteinander von alteingesessenen Bürgern, Bauern und Arbeitern entwickelte sich natürlich Schritt für Schritt. Während man vor dem Krieg als Zäsur schiedlich, friedlich nebeneinander lebte, schweißte der gemeinsame Wiederaufbau zusammen. Man ging aufeinander zu.
Arbeitersiedlungen, Arbeitergärten - politisch wie gesellschaftlich drückten die einstigen Neulinge dem Ort ebenso ihren Stempel auf wie die bevorzugt in Landwirtschaft und Handwerk beheimateten Altbürger. Mehrere Neubaugebiete sorgten dafür, daß die Einwohnerzahl beständig wuchs. Und mit ihr auch die Gemeinsamkeiten.
Die Vereine erwiesen sich schnell als geeigneter Ort der Integration, der Kontakte. Und immer waren auch Vorreiter vonnöten, starre Haltungen abzubauen. Ein Mensch, der dieser guten Sache sein ganzes Leben gewidmet hat, ist in Lamersdorf fast schon eine Legende: Pfarrer Beulen. Hartnäckig ertrotzte er seinerzeit vom Bistum Land, das auf Erbpachtbasis die Wohnstätten der Arbeiterschaft mit ihren Familien ermöglichte. Das zu Beginn der 70er Jahre geschaffene Gefüge der Gemeinde Inden erforderte auch in Lamersdorf eine neue Orientierung. Einer der nördlichsten Orte des alten Kreises Düren rückte im neuen Kreis Düren ebenso in die Mitte wie in der Gemeinde Inden. Trotz der alten Grenzen unterhält Lamersdorf nach wie vor zum nur wenige hundert Meter entfernten Inden beste Beziehungen. Vor der kommunalen Neu- gliederung gehörte Lamersdorf zum Amt Lucherberg. Die Bürger beider Dörfer begegneten sich zwar nicht unfreundlich, aber mit Respekt. Das mag daran gelegen haben, daß die Gänge zu Behörden früher nicht sonderlich beliebt waren. Mitunter wurde sogar der Dorfpolizist einge- schaltet, um diese Pflichtaufgaben zu erledigen. Grundsätzliche Probleme hatten Lamersdorfer und Lucherberger freilich nie miteinander. Der "Fall Frenz" lag da schon anders. Das Verhältnis zwischen beiden Orten wurde oftmals auf die Probe gestellt und unterlag einigen Spannungen.
Insgesamt zwölf Vereine, Gemeinschaften und Chöre vom Sportverein Rot-Weiß über die St.-Cornelius-Schützenbruderschaft (mit "C"!) und den Maiclub bis hin zum Trommler- und Pfeiferkorps Blau-Weiß, dem Männerquartett und der Feuerwehr bezeugen, dass Lamersdorf in voller Blüte steht.
Dass die architektonische und menschliche Zusammenkunft von alter und neuer Zeit, von Bodenständigkeit und Industrialisierung durchaus funktionieren kann, wird in dieser Ortschaft der Gemeinde Inden überdeutlich. Über alle Grenzen hinweg schätzt man in Lamersdorf den Fleiß. Und der Imkerverein des Dorfes paßt in dieses Bild ganz hervorragend.
Lucherberg
Was der Name "Lucherberg" bedeutet, ist nicht genau zu klären.
Möglich ist, dass sich die Silbe "luch" aus dem lateinischen "lucus" = Wald entwickelt hat. Dies scheint logisch, da die Gegend um das Dorf noch im 18. Jahrhundert ausgedehnte Waldbestände hatte.
Bis zum Beginn des vorigen Jahrhunderts lebte die Lucherberger Bevölkerung noch fast ausschließlich von der Landwirtschaft. Dann aber setzte eine Entwicklung ein, die das Dorf und die in ihm lebenden Menschen bis auf den heutigen Tag geprägt hat. Bereits seit 1413 weiß man vom Kohlenbergbau am "Torfberg" bei Lucherberg.
1819 aber schnitt man beim Abteufen eines Brunnens ein Braunkohlenlager von außerordentlicher Güte an. Ein Jahr später veranlaßte Carl Freiherr von Goltstein, Herr auf Merödgen, Probebohrungen am Fuße des Lucherberger Berges. Kurz darauf erhielt er die erste Konzession zum Abbau eines Braunkohlenfeldes im Raum Aachen" Düren. Mit der Braunkohle aus der "Goltsteingrube" stellte man jährlich zwischen 100.000 und 150.000 Stück "Klütten" her; die Menschen der umliegenden Dörfer fanden hier die dringend benötigten Arbeitsplätze. Zwischen 1867 und 1896 ruhte die Förder- ung dann allerdings, sie war unwirtschaftlich geworden. Danach wurde die "Gewerkschaft Lucherberg" gegründet und wieder mit der Förderung der Braunkohle begonnen. Neue Tagebaue wurden aufgeschlossen, das Gelände am "Lamersdorfer Wege" (heute Goltsteinstraße) enteignet, um dort Brikettfabrik, Betriebsgebäude und Wohnhäuser zu bauen. Bis 1924 die "BIAG Zukunft" den Betrieb übernahm, waren drei Tagebaue von mehreren hundert Morgen Größe in Betrieb genommen, ein Anschluß zur Bahnstrecke gelegt, ein Schürfbagger im Einsatz und der älteste Tagebau durch Quellwasser zu einem (Sumpf)-see geworden (unter der heutigen Goltsteinkippe). Einhundert Jahre nach Beginn der Brikettherstellung hatte die gesamte Anlage eine Jahreskapazität von 115.000 Tonnen Brikett.
Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Brikettfabrik nahm bald nach Ende des Krieges die Produktion wieder auf. Wie schon nach dem Ersten Weltkrieg so wurden auch jetzt wieder die auf den Bahngleisen bereitstehenden Brikettzüge von den Menschen der umliegenden Dörfer als Beschaffungsquelle für Brennmaterial genutzt.
1960 wurde damit begonnen, die seit Jahrzehnten einer Mondlandschaft gleichende Umgebung des Dorfes endlich zu rekultivieren. Dabei wurde der 1928 stillgelegte Tagebau III, der in der Zwischenzeit zu einem mit Grundwasser vollgelaufenen See geworden war, endlich bepflanzt und später als Naturschutzgebiet ausgewiesen: der Lucherberger See.
Lucherberg ist schlechthin das Naherholungsgebiet der Gemeinde Inden. Sowohl die Goltsteinkuppe als auch der Lucherberger See laden zu ausgedehnten Spaziergängen ein. Kurzum:
In der unmittelbaren Umgebung des Ortes kann man ein paar schöne und erholsame Stunden an der frischen Luft verbringen. Was der außenstehende Betrachter nur erahnen kann: Beim See als auch dem Berg handelt es sich um "künstliche" Gebilde. Beide topographischen Besonderheiten stehen in enger Beziehung zur Industrialisierung, die Lucherberg wie kein zweites Dorf der heutigen Gemeinde Inden veränderte.
Wer in Lucherberg nicht mit der Landwirtschaft sein täglich Brot verdiente, arbeitete "om Klüttewerk", der Brikettfabrik. Das galt übrigens stets auch für viele Menschen der umliegenden Dörfer. Die "BIAG Zukunft" setzte die Tradition der Braunkohlentagebaue fort, die vor dem Krieg dem Ort ihren Stempel aufdrückten.
Den Tagebauen hat Lucherberg auch den See zu verdanken. Regatten beispielsweise zeichnen ein stimmungsvolles Bild: Wenn sich die vielen Segel vor dem rotgefärbten Himmel in der Abendsonne abheben.
Der See diente freilich nicht nur der Naherholung. Zwei Wasserwerke quasi "mittendrin" zeugen von der durchaus praktischen Nutzung als Wasserreservoir des Kraftwerkes Weisweiler.
Die Industrie veränderte das Gesicht Lucherbergs. Das Dorf wurde gleich nach dem Krieg mit Annehmlichkeiten wie Strom, Wasser und Kanalanschluß versorgt. Insgesamt kann und konnte ein überdurchschnittlicher Wohlstand nicht geleugnet werden. Die Ansiedlung von Arbeitern freilich teilte die einst verschworene Dorfgemeinschaft, die Einwohnerzahl von einst 550 Menschen stieg beständig. Entlang der Goltsteinstraße entstanden Mietshäuser, die nicht dauerhaft belegt waren. Dadurch war es nur sehr schwer, Bindungen zum Altort herzustellen. Als Häuser an Bergleute verkauft wurden, stabilisierte sich die Situation allerdings zwischen denen "aus dem Dorf" und "denen von unten". Mittlerweile beheimatet der Ort rund 1200 Menschen, die Zahl hat sich also im Vergleich zu früher mehr als verdoppelt.
In Lucherberg befand sich zudem stets der Sitz einer Verwaltung. Vor der kommunalen Neugliederung war der Ort mit seinem Rathaus naturgemäß Zentrum des gleichnamigen Amtsbezirkes. Danach bezogen Teile der neuen Indener Gemeindeverwaltung das Lucherberger Gebäude. Dem alten Rathaus freilich "verdankt" Lucherberg eine ganz natürliche Konkurrenz zu Pier. Der sehr viel größere Ort unterlag nach dem Kriege bei der Abstimmung über den Verwaltungssitz mit nur einer Stimme Mehrheit. Heute beherbergt das Gebäude neben der Grundschule die gemeindliche Jugendarbeit und den Geschichtsverein, da in Inden/Altdorf ein neues Rathaus errichtet wurde.
Das Vereinsleben in Lucherberg wurde durch den Zweiten Weltkrieg nachhaltig beeinflußt. Im Ort machte sich eine Skepsis gegenüber allen Uniformen breit, wie sich Bewohner noch heute erinnern. Die Wiedergründung der Schützengesellschaft fand so bis heute nicht statt. Selbst nach einer flammenden Predigt von der Kanzel der neuerrichteten Pfarrkirche St. Nikolaus fanden sich zunächst nur drei Freiwillige, die eine Feuerwehr bilden wollten. Die Notwendigkeit dieser Institution wurde indes in den Folgejahren erkannt, so daß die Wehr heute schlagkräftiger denn je ist. Das fehlende Schützenfest wird in Lucherberg durch die Kirmes ersetzt, die im Dorf die FCJugend und die Feuerwehr organisieren. Die Vereinsstruktur mit der Maigesellschaft, dem Carnevals-Club "Lukkebömmelte Lü", dem Kirchenchor, dem Segelverein, den Tischtennisfreunden, dem Vogelzuchtverein, dem Trommler- und Pfeifercorps Blau-Weiß und dem Kirchenchor ist wieder vielfältig.
Den neuen Zusammenhalt trotz einiger struktureller Probleme der Vergangenheit zwischen dem mehr landwirtschaftlich orientierten Oberdorf und der einst nahezu ausschließlichen Arbeiterheimat an der Goltsteinstraße bekundet ein Wort der jüngeren Vergangenheit: das "Dorfgemeinschaftshaus". Viel Eigenleistung erbrachten die Vereine für dieses Gebäude am Sportplatz neben dem Kindergarten, was das Miteinander bezeugt.
In der durch den Braunkohlentagebau veränderten Gemeinde Inden wächst auch Lucherberg in eine neue Rolle. Das Zentrum vom höchsten Punkt und Namengeber "Lucherberg" verlagert sich in Richtung Inde nach Inden/Altdorf. Das Neubaugebiet In den Berger Benden ist zwar faktisch schon ein Teil des Umsiedlungsstandortes, bildet aber in der Praxis den nahtlosen Übergang zum neuen Gemeindekern.
Pier
Die tagebaubedingte Umsiedlung der Ortschaft Pier wurde 2014 abgeschlossen.
Zur Erinnerung an diese Ortschaft lesen Sie hier weiter:
Die Ortschaft Pier bestand bis 1806 aus zwei einzelnen Dörfern: Pier und Bonsdorf. Beide Orte hatten einen eigenen Pfarrbezirk mit Kirche und Friedhof. 1844 wurde die alte Bonsdorfer Kirche abgerissen; der die Kirche umgebende Friedhof blieb jedoch bestehen. Beerdigt wurde hier noch bis 1947. Bonsdorf umfaßte lediglich die heutige Bonsdorfer und Jakobstraße sowie Haus Pesch. Viele Sagen und Legenden ranken sich um die "Zwillingsdörfer" Pier und Bonsdorf.
Zu Pier gehören auch Pommenich, Haus Verken und die Siedlung Vilvenich. Der ehedem dem Herzog von Jülich gehörende Vilvenicher Hof mit der Kapelle St. Helena ist wohl die Keimzelle des Weilers.
Pier ist ein sehr altes Dorf. Mit Sicherheit war es schon in fränkischer Zeit besiedelt, ist aber möglicherweise sogar noch älter.
Auf religiösem und wirtschaftlichem Gebiet hängt die Geschichte Piers eng mit den Klöstern Gerresheim bei Düsseldorf und dem Ursulastift in Köln zusammen, aber auch mit den Abteien Brauweiler und Siegburg.
Besondere Bedeutung erhielt Pier dann im Laufe der Jahrhunderte als Hauptort des Dingstuhles Pier-Merken. Erstmals im 14. Jahrhundert urkundlich erwähnt, gehörte der Pierer Dingstuhl dem Herzog von Jülich. Die Pierer Schöffen richteten und entschieden an diesem niederen Landgericht unter dem Vorsitz eines Schultheißen über die Bewohner der Dörfer Pier, Bonsdorf Merken, Vil- venich, Pommenich, Lucherberg, Teile von Luchem, Jüngersdorf Stütgerloch und Schophoven, aber auch über die Häuser Merödgen, Müllenark, Pesch und Verken. Das älteste Siegel des Dingstuhls ist heute in den Pierer Farben Blau-Weiß das Wappen der Gemeinde Inden. 1794 wurde der Dingstuhl von der französischen Besatzung aufgelöst und in etwas anderer Zusammensetzung in die Bürgermeisterei Pier umgewandelt.
Es klingt zwar widersprüchlich, aber entspricht den Tatsachen: Das geschichtsträchtige Dorf Pier ist eigentlich der jüngste Ort der Gemeinde Inden. Und das hat einen traurigen Grund:
"Not a stone upon a stone" "Nicht ein Stein auf dem anderen" verkündeten die Sieger eher frohlockend denn klagend über "Pier/Germany" nach dem Zweiten Weltkrieg. Doch selbst das verheerende Kriegsschicksal haben die Pierer abgeschüttelt und sich "bis heute" auf alte Tugenden besonnen. Der sofortige Wiederaufbau und Neuanfang war eine Selbstverständlichkeit. Spaziert man heute durch die Straßen, spürt man schnell: "Pier is e schmuck Dörp."Darauf sind die Einwohner stolz" zu Recht.
Stolz spielt im zweitgrößten Ort der Gemeinde Inden ohnehin eine wichtige Rolle. Pierer sind durch und durch eigenständig, legen Wert auf ihre Selbständigkeit. Dass man das in der Nach- barschaft mitunter mißverstand, stört in Pier herzlich wenig.
Das Selbstbewußtsein der Bevölkerung ist belastungsfähig und schier unumstößlich. Die ausgeprägte Eigenständigkeit der Ortschaft, die wenige Jahre nach der Jahrtausendwende dem Braunkohlentagebau weichen muß, hat ihren Grund. Egal aus welcher Himmelsrichtung man sich Pier nähert: der Passant oder Besucher reist vorbei an ganz überwiegend landwirtschaftlich genutztem Flachland. Im Fachjargon attestieren Geographen dem Dorf eine "exponierte Lage". Die weiträumigen Grenzen finden in durchaus wohlhabenden Großbauern von einst ihre einleuchtende Erklärung.
Aber was ist eigentlich "Pier" "Rein juristisch zählen Siedlungen wie Vilvenich (mit der Helenen- kapelle) oder" noch weiter entfernt "op dr schäl Sick" das Gewerbegebiet zum Dorf. Auch Pommenich ist inzwischen ein integrierter Teil des Ganzen, in den Köpfen freilich längst nicht "eingemeindet". Der Ort entstand aus Bonsdorf und eben Pier selbst. Diese Unterschiede werden ernst, aber nicht zu ernst genommen. Daß sich die Bewohner von Vilvenich eher Merken zugehörig fühlen, nimmt man ihnen nicht übel.
Die Bevölkerung hat ihre klassische Bindung an den Altkreis Düren nie verloren. Obschon es nur ein Katzensprung bis Jülich ist, bleibt Düren das dominierende Zentrum. Auch Eschweiler ist den Bürgerinnen und Bürgern von Pier ziemlich sympathisch.
Ein hohes Maß an Infrastruktur bescherte im Dorf stets hohen und zu früheren Zeiten unüblichen Komfort. Der Straßenbahnanschluß ließ Pier für viele Menschen in der Umgebung zu einem Knotenpunkt werden, wenn der auch heute nicht mehr existiert. Wie hieß es so schön: "Man kam zu uns".
Landwirtschaft spielt bis heute eine wichtige Rolle und verschaffte den Einwohnern bis vor wenigen Jahrzehnten ein gerüttelt Maß an Unabhängigkeit. Dieses innere Bedürfnis im Ort spiegelt auch eine Vielzahl von Vereinen wider "samt Feuerwehr heute noch 15 an der Zahl. Zum Beispiel die Maigesellschaft "Pier-Pommenich" "man beachte den feinen Unterschied" die historischen St.-Sebastianus-Schützen mit ihrer ehrgeizigen Sportabteilung, der FC Viktoria, die KG Rot-Weiß und, und, und. Eine Vielzahl von musikalischen Vereinigungen "vom Kirchenchor bis zur Bayernkapelle" verdeutlicht überdies die rheinischen Wurzeln der Pierer. Gesellige Stunden weiß man hier zu schätzen. Davon zeugen nicht zuletzt fünf Gastwirtschaften im Ort.
Die waren allerdings stets auch gesellschaftliches Symbol. Es ist noch gar nicht allzu lange her, da trafen sich die Pierer besonders gern mit Gleichgesinnten. Denn auch die einzelnen Schichten der Bauernschaft und des Bürgertums fanden in durchaus unterschiedlichen Treffpunkten ihren Ausdruck.
Die Pierer Heimat war und ist die Rurerde. Doch weder die ausgeprägte Heimatverbundenheit, noch das intensive Bemühen um Unabhängigkeit trübten den Realitätssinn der Bevölkerung. Als so das Schicksal Umsiedlung bekannt wurde, regte sich selten Widerstand über die Frage "Ob", sehr wohl aber über das "Wie". Man wollte halt in den Entscheidungsprozeß eingebunden werden und tolerierte keine Entscheidungen über alle Köpfe hinweg.
Das sah man auch "von Amts wegen" schnell ein. So wird auch nach den in einigen Jahren anstehenden Umsiedlungsprozeß das Pierer Selbstbewußtsein weiterleben. Denn dieser Wert scheint im aktuell 1575 Einwohner zählenden Ort ganz tief in der Seele zu sitzen.
Schophoven
Über die Herkunft des Namens "Schophoven" streiten sich die Geister: Einmal könnte man es aus dem althochdeutschen "scopf" = Gebäude ohne Wände, Anbau, Scheune, herleiten.
Eine andere Möglichkeit führt den Namen auf bedeutende Schafherden zurück, die bis ins 19. Jahrhundert hinein auf den fast 200 Morgen Rurweiden gehalten wurden.
Wie dem auch sei, urkundlich erwähnt wird Schophoven erstmals 1306. Die Entstehung des Dorfes muß wohl in engem Zusammenhang mit Gut Müllenark gesehen werden. Müllenark bedeutet einfach "Stauwehr bei der Mühle". Bereits im 12. Jahrhundert werden die Edelherren von Molenark als Besitzer des Gutes erwähnt, die dem bedeutenden Adel des Rheinlandes angehörten. Im Laufe der Jahrhunderte war das Rittergut durch Heiraten, Erbschaften und Schenkungen auf die stattliche Größe von über 600 Morgen angewachsen. Zum Gut gehörten eine am Mühlenteich gelegene Getreidemühle und ein Brauhaus.
Westlich von Schophoven liegt in der Ruraue Viehöven, der heute mit 2 Höfen kleinste Weiler der Gemeinde lnden. Noch 1801 lebten hier 50 Menschen. Mitte des 19. Jahrhunderts errichtete man die Marienkapelle, die besonders in Notzeiten Ziel von Bittprozessionen aus den umliegenden Dörfern war.
Der Sage nach verdankt Viehöven seine Entstehung den Grafen von Jülich, deren alte Burg auf der gegenüberliegenden Rurseite in Altenburg stand. Die zur Burg gehörenden Viehherden weideten auf den Wiesen diesseits der Rur. Einer der Hirten muß wohl einstmals sehr unter der Einsamkeit gelitten haben, denn wie die Sage erzählt, schickte ihm der Graf eine Frau und ließ einen Hof bauen, eben den Viehhof damit der Hirte es nicht mehr nötig hatte, das Vieh länger unbeaufsichtigt zu lassen, wenn ihm der Sinn nach weiblicher Nähe stand.
Schophoven ist ein echter "Klassiker" unter den Orten der Gemeinde Inden. Das kleinste Dorf in der Kommune hat seine Ursprünge und Besonderheiten über alle Zeiten hinweg gerettet. Ähnlich wie in Frenz wurde dies sicherlich durch die recht abgeschiedene Lage gefördert. Schophoven ist nur über drei Straßen erreichbar: die K 43 von Pier aus, die K 43 von Kirchberg aus oder die Krauthausener Straße, die die Anbindung an die Bundesstraße 56 von Düren nach Jülich darstellt. Die Erschließung in Richtung Jülich ist freilich noch ziemlich jung.
Gut Müllenark und die Müllenarker Mühle im Süden des Ortes und Viehöven im Norden sind zwei ganz markante Punkte in der Geschichte Schophovens. Viehöven, das man heute im "Rechtsknick" der Kreisstraße samt Hinweisschild findet, kann man getrost als eigenen kleinen Ort bezeichnen. Zum einen zeugt die Entfernung von gut und gerne einem Kilometer die Distanz. Zum anderen bestand das landwirtschaftliche Anwesen Viehöven einst aus mehreren Gebäuden, darunter sogar eine Gastwirtschaft. Die Schophovener vergaßen freilich die Viehövener nicht. Bei Prozessionen und Schützenfest wurden sie traditionell "abgeholt" ein verbindendes Symbol.
Auch Gut Müllenark liefert die heute noch unübersichtlichen Indizien auf die rein landwirtschaftliche Herkunft des Ortes. Ackerbau und Viehzucht bilden noch heute die tragenden Säulen des Ortes. Altbürger erinnern sich an bis zu 30 Höfe vor dem Krieg. Heute sind es noch zehn, davon die meisten als Nebenerwerb.
Nordöstlich umsäumt die Rur das Dorf; während der Schlichbach von Pier kommend kurz vor Schophoven eine regelrechte Kurve macht und später in die Rur fließt. Das war einmal anders. Die "Schlichstraße" deutet darauf hin, dass der Bach früher mitten durch den Ort führte. Und das war nicht unproblematisch. Die Bevölkerung fürchtete ihn als "Seuchenherd" natürlich zu einer Zeit, in der es keine Kanalisation gab und auch die Hinterlassenschaften vom Viehtrieb "auf die Schnelle" entsorgt wurden. Bei einer Typhus-Epidemie nach dem Zweiten Weltkrieg, für deren Verbreitung man den Schlichbach verantwortlich machte, ließen einige Schophovener ihr Leben. Nachdem dieser mißliche Zustand beseitigt und auch die Kanalisation im Dienste vollends sauberer Verhältnisse installiert worden war, entwickelte sich das Dorf zu seiner jetzigen Gestalt. Und die kann sich durchaus sehen lassen. Der romantische Dorfplatz an der Kirche bietet im Sommer ein malerisches Bild, die Straße schlängelt sich schmal und unaufdringlich durch den Ort. Das alles vor dem Hintergrund der hohen Pappeln, die links von der Rur stehen.
Gewachsene Bindungen nach Kirchberg gibt es nicht. Bevor die Kreisstraße dorthin verlängert wurde, existierte ein besserer Feldweg. Die Inde mußte auf einem schmalen Steg überquert werden. Die recht weite Entfernung wurde früher natürlich auch gescheut. So war Pier direkter Vorposten und Orientierung der Schophovener, wenngleich das Verhältnis beider Dörfer sich nicht immer ungetrübt präsentierte.
Natürliche Bindungen gibt es erst, seit die Schophovener Schule Ende der 60er Jahre geschlossen werden mußte und der Pierer Pfarrer auch die Schophovener Katholiken betreut.
Für die Geselligkeit nach harter Arbeit auf dem Feld oder in den Fabriken der näheren Umgebung waren von jeher die Vereine zuständig. Die St.-Hubertus-Schützenbruderschaft, die Katholische Frauengemein- schaft, der Kirchenchor St. Cäcilia, das Tambourkorps, die Musikfreunde, die Feuerwehr und die Sport- gemeinschaft von 1919 sorgen im Ort für Abwechslung. Die Karnevals- sitzungen wurden bis vor einigen Jahren von der Katholischen Frauengemeinschaft in eigener Regie auf die Beine gestellt. 1983 erblickte die Karnevalsgesellschaft "Burgjecke" das Licht der Welt. Die Freunde der "fünften Jahreszeit" werden also in Schophoven bestens bedient. Der gewachsene und gute Gemeinschaftssinn im Dorf - unterstützt vom romantischen Flair der Heimat-erde-lassen darauf hoffen, dass die Einwohner auch die im nächsten Jahrtausend bevorstehende Kraftanstrengung bewältigen:
Wenn nämlich die Umsiedlung Piers aktuell wird, stellt Schophoven innerhalb der Gemeinde Inden eine Insel dar.